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Klimadreh
Magazin

Menschen & Energie

Wenn Nachbarn einander Wärme spenden

Dominik Born sitzt in Sessel

Ein Wärmeverbund nur zwischen drei Häusern – ein Projekt in Basel zeigt, dass das geht und dabei alle profitieren. Inklusive Klima.

In der Nachbarschaft helfen sich die Menschen aus. Mal ist es die Bohrmaschine, mal ein Liter Milch. Bald kommt ein neues Produkt der Nachbarschaftshilfe hinzu: die Wärme. Nicht die sprichwörtliche, sondern die konkrete für die warme Stube. Das Konzept heisst «Nanoverbund» und ist ein Wärmeverbund im Kleinen. Dominik Born nutzt es in seinem Reihenhaus im Basler Bachletten-Quartier. «Ich habe mich schon früher gefragt: Wenn es bei der Photovoltaik den Zusammenschluss zum Eigenverbrauch gibt, warum sollte es etwas Ähnliches nicht auch für die Wärme geben?»

Erneuerbar heizen, aber allein

Born hat das Haus gemeinsam mit seiner Frau Isabelle gekauft. Dass darin eine sehr alte Gasheizung arbeitet, war ihm bekannt. «Ich wusste, dass wir schnell eine Lösung brauchen. Denn die Heizung hätte jeden Moment aussteigen können.» Da das Haus nicht im Fernwärmegebiet steht, sucht er nach einer anderen erneuerbaren Lösung. «Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe hätte im Garten zu viel Platz weggenommen und wäre auch aus ästhetischen Gründen nicht die erste Wahl gewesen.» So entscheidet sich das Paar für eine Erdsondenwärmepumpe. «Das war im Jahr 2020. Ab dann haben wir erneuerbar geheizt.»

Dominik Born

Innovationsmanager

Wir amortisieren so unsere Wärmepumpenheizungen ein Stück weit. Und die Nachbarn sparen Kosten für das Erdgas.

Die Nachbarn haben noch Gasheizungen

Die neue Heizung weckt das Interesse der Nachbarinnen und Nachbarn. «Sie wollten wissen, ob das auch wirklich funktioniert in einem älteren Haus», so Born. Auch die Reiheneinfamilienhäuser links und rechts von ihm heizen noch mit Gas und müssen in den nächsten Jahren eine erneuerbare Lösung finden, wie es das Energiegesetz im Kanton Basel-Stadt fordert. Für Dominik Born die Initialzündung. «Da wurde die Idee mit dem Teilen von Wärme unter Nachbarn wieder konkret.» Es war der Auftakt zum Pilotprojekt «Langen Loh».

Drei Reihenhäuser in Basel
Gemeinsam haben die drei Häuser 91 Prozent erneuerbare Energie zum Heizen genutzt, im Vergleich zu früher 33 Prozent.

Der Verbund entsteht digital

Born, selber bei IWB in der Organisations- und Projektentwicklung tätig, kontaktiert die internen Profis . Diese simulieren zuerst, ob der kleine Verbund technisch funktioniert und auch, ob er wirtschaftlich funktionieren kann. Dazu erstellen die Spezialistinnen und Spezialisten einen sogenannten digitalen Zwilling, also eine Computerversion aller Gebäude mit ihren für den Energieverbrauch relevanten Daten. So können sie verschiedene Heiz-Szenarien mit unterschiedlichen Wärmesystemen simulieren. Das Ergebnis: Der Plan für Dominik Borns Haus und den beiden Nachbarliegenschaften funktioniert. Der Nanoverbund ist geboren.

Schweizweites Pilotprojekt

Der erste Nanoverbund ist ein Pilotprojekt das ebenfalls durch das Bundesamts für Energie BFE unterstützt und von der ETH Zürich, der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt Empa sowie der Hochschule Luzern begleitet wird. Das Interesse ist gross, weil auch das Potenzial gross ist. Denn der Nanoverbund ist die Antwort auf ein schweizweites Problem: Viele Heizungen in Einfamilienhäusern sind überdimensioniert. Übers Jahr liefern sie nur selten oder nie die maximale Leistung und laufen deshalb die meiste Zeit im energetisch unoptimalen Bereich. Da viele Heizungen noch dazu nach wie vor fossile Brennstoffe nutzen, verursachen sie hohe Emissionen. Ein Nanoverbund hilft dabei, indem er die angeschlossenen Heizungen nur so viel Energie erzeugen lässt wie insgesamt nötig und dabei die erneuerbaren Energien bevorzugt.

Drei Häuser nutzen gemeinsam

91

Prozent

erneuerbare Energie zum Heizen

Betriebskosten um

15

Prozent

im ersten Jahr gesunken.

Einbau Wärmepumpe

2020

Der Nanoverbund mit drei Häusern läuft seit 2023.

Geringer Installationsaufwand im Keller

Technisch funktioniert das über einen eigenen kleinen Heizkreislauf zwischen den Gebäuden: Vor- und Rücklauf und je eine kleine Übergabestation. Die einzelnen Heizungen werden über die Rücklauftemperatur im Gebäude gesteuert: Ist sie hoch, läuft die jeweilige Heizung nicht, ist sie tief, muss die Heizung Wärme liefern. Dieses System hat den Vorteil, dass sie keinen Eingriff in die einzelnen Heizungssteuerungen benötigt. Und es ist vergleichsweise einfach installiert. Zwei bis vier Bohrungen im Kellergeschoss der drei beteiligten Häuser, wenige Sanitärinstallationen, die das bestehende Heizungsunternehmen ausführt. Im Herbst 2023 ist der erste Nanoverbund fertig und bereit für den Winter.

Die Bilanz nach dem ersten Winter

«Der erste Winter im Nanoverbund war wie die Winter vorher: Alle hatten warm», sagt Dominik Born und schmunzelt. Ein kleiner Rest an Skepsis sei dagewesen – und nun verschwunden. Während es beim Komfort keine Änderungen gegeben hat, sprechen die Werte eine andere, noch viel erfreulichere Sprache. Hatten die Gasheizungen früher die ganze Heizleistung in den Nachbarhäusern erbracht, waren es diesmal nur noch Spitzenlasten und das Warmwasser. Die Hauptlast trug die Wärmepumpe in Dominik Borns Keller. Gemeinsam haben die drei Häuser 91 Prozent erneuerbare Energie zum Heizen genutzt, im Vergleich zu früher 33 Prozent. Das wirkt sich auch auf die Betriebskosten aus, die schon im ersten Jahr um 15 Prozent gesunken sind.

Kosten teilen, Investitionen gemeinsam schultern

Abgerechnet werden die Heizkosten über eine eigene Plattform, ähnlich wie bei einem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch. Wer am meisten Energie bereitstellt, erhält netto Geld zurück. Im Pilotprojekt sind das Isabelle und Dominik Born. Er begrüsst das: «Wir amortisieren so unsere Wärmepumpenheizungen ein Stück weit. Und die Nachbarn sparen Kosten für das Erdgas.» Bei einem Heizungsersatz wären dann die Gesamtkosten geringer, ein allfälliges viertes Haus könnte sich sogar ohne eigene Heizung an den Nanoverbund anschliessen. «Ob und wie die Parteien ihre Investitionen für die Heizungen aufteilen, ist ihnen überlassen. Eigentlich macht der Verbund ja schon einen Ausgleich über die Heizkosten», so Dominik Born.

Der Nanoverbund für die ganze Strasse

Das Pilotprojekt von Isabelle und Dominik Born war ein voller Erfolg. Deshalb ist der Nanoverbund inzwischen ein reguläres Angebot von IWB. Möglich ist er ab zwei beteiligten Häusern, theoretisch sind bis zu acht möglich. Auch Solaranlagen können in den Nanoverbund integriert werden, etwa, um Wärmepumpenheizungen optimal anzusteuern oder um Erdsonden zu regenerieren. Was in einer kleinen Ecke des Basler Bachletten-Quartiers begonnen hat, könnte sich über die Strasse ausweiten. Und noch weiter – überall dorthin, wo Nachbarinnen und Nachbarn gemeinsam etwas verändern wollen.