zum Main Content
Klimadreh
Magazin

Menschen & Energie

Weleda lässt sich bei der Nachhaltigkeit auch mal von Pippi Langstrumpf inspirieren

Zwei Männer sitzen im Freien auf Baumstümpfen und lächeln in die Kamera, umgeben von winterlicher Vegetation.
Dieter Burkhard (links) und Marcel Locher tüfteln konstant an ihren Prozessen, um den Ressourcenbedarf zu senken. (Fotos: Timo Orubolo)

Weleda bezieht von IWB «Biogas plus», das in Pratteln aus Lebensmittelabfällen gewonnen wird. Es ist teurer als Erdgas, doch Nachhaltigkeit zählt für die Arlesheimer Naturkosmetik- und Arzneimittelherstellerin mehr als die Kosten: «Es war der letzte Baustein, um mit 100 Prozent erneuerbarer Energie produzieren zu können», sagt Marcel Locher, Group Sustainability Expert bei Weleda.

Seit 100 Jahren produziert Weleda in Arlesheim. Aktuell werden 140 Kosmetikprodukte und über 800 Arzneimittel hergestellt, die alle ein Ziel verfolgen: «Unsere Produkte unterstützen die Fähigkeit und Kraft des Körpers, selbst zu gesunden und sich zu regenerieren», sagt Marcel Locher. Diese Philosophie zeigt sich auch im Umgang mit der Umwelt: «Es ist ein Nehmen und Zurückgeben», sagt der Nachhaltigkeitsexperte. Was das genau bedeutet und was es mit Pippi Langstrumpf auf sich hat, erklären er und Dieter Burkhard, Director Production Cosmetics Schweiz, im Interview.

Als zertifiziertes B-Corp-Unternehmen sind Sie bestrebt, wirtschaftlichen Erfolg als Kraft für Gutes einzusetzen. Welcher gesellschaftliche Mehrwert entsteht dadurch?

Marcel Locher: Das B in B-Corp steht für Benefit. Die Zertifizierung bestätigt, dass wir einen positiven Beitrag für eine bessere Gesellschaft leisten. B-Corp-Unternehmen wollen unternehmerisch erfolgreich sein, nutzen aber den Erfolg als Kraft, um Gutes zu tun. Nachhaltiges Wirtschaften war schon immer ein Teil der Grundidee von Weleda. Wir geben etwas zurück an die Gesellschaft, an den Planeten, an die Gemeinden in der Umgebung. Schliesslich ist es nur gerecht, wenn wirtschaftlicher Erfolg in das System zurückfliesst, das ihn ermöglicht.

Marcel Locher

Group Sustainability Expert bei Weleda

Nachhaltig sein macht Spass.

Ihr neues Logistikzentrum in Schwäbisch Gmünd ist nachhaltig gebaut und wird emissionsfrei betrieben.

Marcel Locher: Das ist ein gutes Beispiel. Wir wollen mit dem, was wir tun, etwas Positives bewirken. Wir haben beim Bau des Campus weit in die Zukunft geblickt und dank nachhaltiger, zukunftsorientierter Bauweise auch an die Umweltauswirkungen beim Rückbau gedacht. Das Gebäude wurde mit Lehm aus dem Boden vor Ort und das Hochregallager aus lokalem Holz gebaut. Entstanden ist eines der nachhaltigsten Logistikgebäude Europas, das für sein Design und seine Funktionalität mehrfach ausgezeichnet wurde. Diese Ausrichtung auf die Zukunft ist für uns als nachhaltiges Unternehmen zentral.

Dieter Burkhard: Nachhaltigkeit ist für uns eine Chance zur Weiterentwicklung. Gesundes, zukunftsorientiertes Wirtschaften ermöglicht es uns, innovative und umweltfreundliche Lösungen umzusetzen. So haben wir uns beim Bau unseres neuen Logistiklagers bewusst für eine nachhaltige, wenn auch kostspieligere Variante entschieden, anstatt auf einen klassischen Industriebau zu setzen. Für uns ist das eine Investition in eine lebenswerte Zukunft. Dass wir diesen Weg gehen können, verdanken wir nicht zuletzt unseren Eigentümer:innen, die diese Vision mittragen und gemeinsam mit uns an einer positiven Veränderung arbeiten.

Versuchen Sie auch, Ihren CO2-Ausstoss zu reduzieren?

Marcel Locher: Beim Klimaschutz geht es nicht nur um Reduktion. Für uns hat Vermeidung oberste Priorität – bei allem, was wir neu gestalten: ob Produkte, Anlagen oder Gebäude. Wir beziehen an unserem Hauptsitz Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien, haben ein Geothermieprojekt realisiert und Photovoltaikanlagen auf den Dächern installiert. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter und entziehen der Luft CO2, indem wir Gebäude als CO2-Speicher nutzen oder durch die Förderung regenerativer Landwirtschaft eine CO2-Senke im Boden schaffen. Der Blick auf Emissionen beinhaltet also auch die Überlegung: Wie kann ich einen bestehenden Missstand korrigieren?

Zwei Männer sprechen vor einem modernen Holzgebäude, ihre Spiegelung ist im Teich davor sichtbar.
Nachhaltigkeit ist in der DNA von Weleda verankert. «Das Unternehmen ist bereits vor 100 Jahren immer einen Schritt weiter gegangen», sagt Marcel Locher.

Bei der Produktion von Konsumgütern und Arzneimitteln entstehen auch Abfälle. Wie gehen Sie damit um?

Dieter Burkhard: Die Maschinen in Fabriken laufen in der Regel auf Volllast und sind durch Lean-Management optimiert. Es geht also nur noch um das, was wir nicht verkaufen können. Wir versuchen, möglichst wenig Abfall zu erzeugen und diesen in einen Kreislauf zu führen. Recycling ist gut, aber wichtiger ist das Vermeiden.

Marcel Locher: Das Spannende ist, dass man mit dieser Denkweise unglaubliches Potenzial hat, um Gutes zu tun. Es gibt Produkte, die haben einen kleinen Defekt, zum Beispiel eine Delle, wenn sie aus der Maschine kommen, aber ansonsten sind sie einwandfrei. Es wäre viel zu schade, sie zu vernichten! Wir haben seit 12 Jahren eine Partnerschaft mit Tischlein-deck-dich, die solche Produkte von uns bekommen und an Menschen in schwierigen Lebenssituationen verteilen. In dieser Zeit haben wir Zehntausenden von Menschen eine Freude gemacht, weil sie so Produkte bekommen haben, die für sie sonst unerschwinglich gewesen wären.

Was geschieht mit Ihren Produktabfällen?

Marcel Locher: Die Kreislaufwirtschaft ist unser zentraler Ansatz. Denn nichts verschwindet einfach – es landet immer irgendwo. Verbrennt man Abfälle, so wird die Atmosphäre belastet, oder sie werden eben deponiert. Am besten ist aber Wiederverwertung. Alle unsere Inhaltsstoffe sind natürlichen Ursprungs, teilweise in Lebensmittelqualität, und unser Bulk-Ausschuss ist vergärbar. Unsere Idee dabei: Warum nicht unsere Abfälle vergären lassen und das entstehende Biogas direkt in der Produktion nutzen? Klingt genial. Doch schon bald zeigte sich, dass unser Material für die Vergärung bei Biopower in Pratteln nicht optimal war. Heute wird es stattdessen in der Wasseraufbereitungsanlage ARA Birs vergoren – und dort in einem Blockheizkraftwerk in Wärme und Strom umgewandelt.

Dieter Burkhard

Director Production Cosmetics Schweiz bei Weleda

Bei IWB hat das Gesamtpaket am besten gepasst, deshalb haben wir uns für IWB entschieden.

Sie beziehen seit 2021 100 Prozent Biogas plus von IWB. Was hat Sie im Jahr 2021 dazu bewogen, trotz Mehrkosten den Biogasanteil von 10 auf 100 Prozent zu erhöhen?

Bei uns lag der Fokus darauf, umweltfreundliche Lösungen zu finden, die gleichzeitig auch praktikabel sind. Zudem konnten wir Energieeinsparpotenziale nutzen und damit die Mehrkosten relativ gering halten.

Ihr Biogas stammt aus der Region. Ist Ihnen das besonders wichtig?

Dieter Burkhard: Definitiv. Es war für uns zentral, das Biogas aus dem nur wenige Luftkilometer entfernten Pratteln beziehen zu können. Wenn das nicht möglich gewesen wäre, weiss ich nicht, ob wir den Anteil so schnell auf 100 Prozent erhöht hätten. Die Zertifikate, die wir von IWB erhalten, sind wichtig für die Glaubwürdigkeit.

Welche Anforderungen stellen Sie generell an Ihre Lieferanten und Partnerfirmen und welche speziell an IWB als Lieferantin von Biogas?

Marcel Locher: Es gibt das Sprichwort: Wer schnell vorankommen will, der geht allein, wer erfolgreich sein und weit kommen will, der geht zusammen mit anderen. Wir produzieren ja nicht nur mit Rohstoffen, die wir selbst anbauen, sondern wir holen uns die Zutaten von überall her. Deshalb ist es wichtig, dass alle unsere Lieferanten mitmachen. Wenn es niemanden auf dem Markt gäbe, der uns Verpackungsmaterial mit hohem Recyclinganteil liefert, dann könnten wir unsere Ziele nicht erreichen. Hätten wir keine Lieferanten für Biogas, dann hätten wir den letzten Baustein, um mit 100 Prozent erneuerbarer Energie zu produzieren, nicht so leicht realisieren können. Und das war für uns enorm wichtig. Wir sind einer der ganz wenigen produzierenden Betriebe in der Umgebung, die das schaffen.

Wofür setzen Sie das Biogas in Ihrem Unternehmen ein?

Dieter Burkhard: Wir brauchen das Gas für die Prozesswärme, die wir in der Produktion benötigen. Eine Lotion, die heiss hergestellt wird, erhitzen wir im 1,5-Tonnen-Behälter auf circa 80 Grad. Wir haben einen hohen Energieeintrag in unsere Produkte. Deshalb überlegen wir bei jedem Produkt, das wir neu entwickeln, wie wir Ressourcen sparen können. Nachhaltigkeit wird immer mitgedacht.

Zwei Männer in Schutzkleidung unterhalten sich in einer Produktionsumgebung, einer hält eine Sonnencreme in der Hand.
Dieter Burkhard (rechts) zeigt Samuel Schluchter von IWB die Produktion. «Nachhaltigkeit wird bei uns immer mitgedacht», sagt der Produktionsleiter bei Weleda.

Wäre es auch möglich, die Wärme mit Photovoltaik zu erzeugen?

Dieter Burkhard: Das wäre möglich, aber weniger effizient. Deshalb bleiben wir vorerst beim Gas, wollen aber die Kühlprozessoren mit der Abwärme betreiben. Ziel ist es, die Prozesse so zu entwickeln, dass die Produkte nicht mehr erhitzt werden müssen. Dann brauchen wir auch keine Kühlung mehr.

Nachhaltigkeit ist auch bei IWB ein zentrales Thema. Hat das Ihre Entscheidung beeinflusst, das Biogas und neu auch den Strom aus 100 Prozent erneuerbarer Energie von IWB zu beziehen?

Dieter Burkhard: Im Gasbereich arbeiten wir schon lange zusammen. Eine vertrauensvolle Partnerschaft ist uns wichtig. Beim Strom gibt es jährliche Ausschreibungen, da wir den Strom auf dem freien Markt beschaffen. Bei IWB hat das Gesamtpaket am besten gepasst, deshalb haben wir uns für IWB entschieden.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit IWB?

Dieter Burkhard: Wir begegnen uns auf Augenhöhe. Wenn wir ein Anliegen haben, ist IWB für uns da. Beim Thema Biogas hat sich IWB zum Beispiel stark für unsere Anliegen eingesetzt.

Marcel Locher

Group Sustainability Expert bei Weleda

Hätten wir keine Lieferanten für Biogas, dann hätten wir den letzten Baustein, um mit 100 Prozent erneuerbarer Energie zu produzieren, nicht so leicht realisieren können.
IWB News
Gut informiert sieht die Zukunft besser aus

Gibt es ein Motto, das Ihre Philosophie auf den Punkt bringt?

Marcel Locher: Pippi Langstrumpf trifft es ganz gut mit ihrem Spruch: «Ich habe es noch nie versucht, warum sollte ich es nicht schaffen?» Wenn man so an die Dinge herangeht, ist viel mehr möglich, als man denkt.

Sie haben in Sachen Nachhaltigkeit schon viel erreicht. Gibt es dennoch weitere Projekte und Ideen zum Schutz von Umwelt und Natur? 

Marcel Locher: Wir haben soeben eine umfangreiche Nachhaltigkeitstrategie verabschiedet. Ein wichtiges Ziel ist das Thema Klima. Wir wollen unsere eigenen und direkten Emissionen auf Gruppenebene bis 2040 auf Netto-Null reduzieren. Und ganz grundsätzlich: Nachhaltig sein macht Spass. Darüber zu reden und zu merken, wir haben schon viel geschafft, das ist einfach gut. Man hat etwas, worauf man stolz sein kann, man leistet wirklich einen Beitrag zu einer besseren Welt. Wir wollen die Leute anstecken, wir wollen Multiplikatoren sein. Im Sinne von: Tue Gutes, sprich darüber und bringe die Leute dazu, es dir gleich zu tun.