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Historische Wassernutzung am Riehenteich

Bevor die Wasserkräfte des Riehenteichs zur Stromerzeugung im Kraftwerk genutzt wurden, dienten die von der Wiese stammenden und zunehmend in Kanälen geführten Wassermassen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts als direkter Energielieferant, Infrastruktur und Abwassersystem. Sie erlaubten die Entwicklung der Kleinbasler Industrie bis hin zur Seidenfärberei, woraus die heutigen Chemie- und Pharmaunternehmen hervorgingen. Die Verwaltung des Teichs wurde von der Korporation der Leheninteressenten am Kleinbasler Teich sichergestellt, die die Interessen der am Teich ansässigen Gewerbe regional und überregional vertrat.

«Ähne-n-an de Stellfalle hinderet sy Lauf nyt meh bis an die erschte Fabriggräche. Stolz und spreed schiesst'r drvoh, zwische-n-uuralte Baim und under em moosbiwaxene Staibriggli dure. Kuum hänn dr Himmel und d'Sunne Glägeheit, dur's Bletterdach abe-n-in's Wasser z'giggele-n-und in's schwarzgrien Band e glaine-n-Yschlag vo Blau und Gold z'wäbe.»

Theobald Baerwart: Uus em Glaibasel. Baseldytschi Jugederinnerige, Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel 1921

 

Bevor das Aufkommen von Tiefbrunnen und Druckleitungen zum Bedeutungsverlust von Teichsystemen geführt hat, waren die Gräben und künstlich angelegten Gewässer von wesentlichster Bedeutung für die Basler Wasserversorgung. Die Errichtung der Riehenteich-Kanäle in Kleinbasel erfolgte in der durch Ausbreitung des Gewerbes bedingten Wachstumsperiode des 13. Jahrhunderts parallel zur Fertigung der Stadtbefestigung und auch beinahe zeitgleich wie die Errichtung des Rümelinsbachs (Birsig) und des St. Alban-Teichs (Birs) auf Grossbasler Seite des Rheins. 

Historischer Plan Rhein und Riehenteich
Merianplan mit eingefärbtem Riehenteich

Mittels Wehr von der Wiese abgeführt, floss der Kleinbasler Hauptteich auf direktem Weg auf Kleinbasel zu. Nach starker Beugung nordwärts beim Riehentor floss er wieder mit dem Krummen Teich zusammen, der zuvor auf Höhe der heutigen Mustermesse abgezweigt war. Nach dem Durchgang des Wassertors teilte sich das Wasser hinter dem (heutigen) Claraplatz seit 1280 und bis zur Aufhebung 1907 in den Niederen, Mittleren und Vorderen Teich und floss schliesslich zwischen der Mittleren Rheinbrücke und der Kaserne in den Rhein.

Riehener Mühleteich: Energielieferant, Infrastruktur, Abwassersystem

Das Wasser des Riehenteichs fand in der Stadt vielseitige Verwendung – von der direkten Energielieferung an die Gewerbe (Wasserräder) über die Holzflösserei bis hin zu zum Abtransport von Abwässern in den Rhein. Ausserdem war das Wiesenwasser ab der einsetzenden Diversifikation der ansässigen Gewerbe im 18. Jahrhundert für die sich ausbildende Textilindustrie interessant, die auf Wasser geringen Härtegrades angewiesen war (geringe Konzentrationen gelösten Kalks). Da im 458 Quadratkilometer mächtigen Einzugsgebiet der Wiese die Gesteine grösstenteils magmatischer und metamorpher Natur sind (Granit und Gneis) und somit vom Wasser auf dem Weg in die Wiese vergleichsweise wenig Kalk gelöst wird, war diese Voraussetzung gegeben und das Wiesenwasser weit attraktiver als das Rheinwasser.

Wässerungseinrichtungen am alten Teich
Wässerungseinrichtungen am alten Teich

Für die Landwirtschaft vor den Toren der Stadt und weit ins Wiesental hinein war das in Wässerungskanälen geführte Wiesenwasser ebenfalls von wesentlicher Bedeutung. Es wurde zur sogenannten Mattenwässerung verwendet – eine Praktik, bei der die Böden nicht lediglich bei Trockenheit bewässert werden, sondern fortlaufend zur gezielten Bodenbearbeitung, Bodenbildung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit beitrugen. Die düngende und wachstumsfördernde Wirkung ergibt sich aus den im Wasser mitgeführten Mineral- und Nährstoffen, die beim Versickern des Wassers den Oberbodenhorizont anreichern. Ausserdem konnte durch die Mattenwässerung der Ausbreitung von Schädlingsformen (zum Beispiel Mäusen) entgegengewirkt und die Böden vor kürzeren Frostperioden geschützt werden. Auf der anderen Seite wiederum dienten die zur Wässerung künstlich angelegten Grabensysteme in Mitteleuropa bereits seit dem 12. Jahrhundert zur Trockenlegung und Nutzbarmachung von Feuchtgebieten, die im Umfeld unbegradigter Flussauen oft unter Wasser standen.

Schorenbrücke in den Langen Erlen
Schorenbrücke in den Langen Erlen

Gewerbsgenossenschaft am Riehenteich

Bereits in den frühen Jahrzehnten, als er primär Getreidemühlen mit Energie versorgte, entstanden am Riehenteich Interessenskonflikte. Wurde weiter oben am Teich oder gar weiter hinten im Wiesental intensiv gewässert, so kriegten dies bei niedrigen Pegelständen die Leheninteressenten in Kleinbasel zu spüren, da das auf Feldern ausgebrachte Wasser nicht direkt wieder in die Wiese zurückfloss. (Lehen wurde Nutzung am Teich deshalb genannt, weil die Grundherren als eigentliche Eigentümer der Wasserrechte diese belehnten und dafür einen Zins forderten.) Jene Betriebe, die sich am Kanal angesiedelt hatten, schlossen sich schon bald zusammen, um als Korporation die Nutzung von Wasser und Kraft regional und überregional zu koordinieren und ihre Interessen zu vertreten. Diese Genossenschaft bestand also nicht aus den Eigentümern der Lehen, sondern aus den Handwerkern, die als Erbpächter auf den Mühlen sassen. 1628 wurde die erste, 1898 unter Wassermeister Vuilleumier die letzte Teich-Korporationsordnung verabschiedet.

 

Entwicklung Kleinbasels zum Industriestandort

Nachdem sich neben den Mühlen (darunter Farbholzmühlen, Indigomühlen, Gipsmühlen) zunehmend auch Sägen, Schleifen, Stampfen und Schmiedehammer niedergelassen hatten, erfolgte im 17. Jahrhundert die rasche Ansiedelung der Gerber und im 18. Jahrhundert die Spezialisierung und Diversifikation der Gewerbe am Teich. Diese beinhaltete unter anderem auch Färbereien, die das für ihre Prozesse günstige, weiche Wiesewasser gut gebrauchen konnten. Sie kamen jedoch oft an Strassenbächen und nicht am Teich selbst zu liegen, da Gerbereien (Lederherstellung) die verfügbaren Hofstätten besetzten.

Als Mitte des 18. Jahrhunderts in Weil ein neuer Kanal zur Versorgung von Gewerben mit Wasser angelegt wurde, der einen markanten Einfluss auf das in Basel verfügbare Wasser hatte, entfachte ein neuer, auf beiden Seiten gewaltvoll geführter Streit. Nach dem Einreissen von Schutzbrettern durch die Weiler und schliesslich die Zerstörung des Weiler Wuhrs durch die Basler, kommt es 1756 zum Vertragsabschluss über die Nutzung des Wassers aus der Wiese zwischen dem Markgrafen Karl-Friedrich von Baden und Bürgermeister und Rat der Basel-Stadt. Dieser Vertrag enthielt im Wesentlichen dieselben Bestimmungen wie bereits eine Vereinbarung von 1685 und galt bis vor Kurzem.

Staatsvertrag Karlfriedrich von Baden
Staatsvertrag Karlfriedrich von Baden

Seit einem Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2019 gilt es, jegliche altrechtlichen Grundlagen wie jene aus dem Jahr 1756 zur Nutzung von Gewässern bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit durch eine sogenannte Konzession zu ersetzen. Energieproduzenten benötigen für den Bau und Betrieb von Wasserkraftwerken eine Konzession des Standortkantons. Eine solch «nächstbietende Gelegenheit» ist zum Beispiel ein Bauvorhaben. Ein Bauvorhaben steht zwar nicht direkt am Kraftwerk an. Das Kraftwerk bildet aber nach offizieller Definition mit dem Schliesse-Wehr der Wiese eine Einheit. Da das Schliesse-Wehr für eine ökologische Massnahme, der Herstellung der sogenannten Fischgängigkeit in der Wiese, saniert werden wird, musste IWB beim Kanton Basel-Stadt eine Konzession zur Wassernutzung für das Kraftwerk Riehenteich beantragen. Die Konzession hat der Grosse Rat am 19. April 2023 einstimmig verabschiedet.

Elektrische Energie und das Ende des Kleinbasler Teichs

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der elektrischen Energieform und der Auslagerung von Produktionsstätten von Färbereien ausserhalb der Stadt (wichtige Faktoren: Anschluss an Eisenbahnnetz, Bau von Fabrikhallen, Abwasserinfrastruktur) verlor der Riehenteich und sein Wasser für die Gewerbe Stück für Stück an Notwendigkeit. Das im Nachgang an die Umweltkatastrophen des 14. Jahrhunderts (Pest ab 1349, Kleinbasler Stadtbrand 1354, Erdbeben 1365) erbaute Strassenbachnetz wurde ebenfalls zunehmend unterirdisch verlegt und diente nunmehr als Schwemmkanalisation. 

Mittlerer Teich bei der Ochsengasse
Mittlerer Teich bei der Ochsengasse

Hinzu kommt, dass der Wasserbedarf der Stadt wächst und wächst und um die Jahrhundertwende grosse Ausbauschritte des Grundwasserpumpwerks erforderlich werden. Nachdem Untersuchungen zum Verhaltens von Grundwasserströmen die wesentliche Rolle des Riehenteichs für die Grundwasserströme aufzeigen, zeichnet sich das Interesse des Wasserwerks an der alleinigen Verfügung über das Wasser des Teichs ab. Ausserdem kommt der neu geplante Badische Bahnhof genau auf dem Verlauf des Teichs zu liegen – ebenfalls ein Argument, das verwendet wird, seine Aufhebung zu begründen. Letzten Endes lässt sich die Aufhebung der Teiche als Kombination aus folgenden Faktoren verstehen:

  • Hygienische Missstände (insbesondere, wenn der Riehenteich im Sommer wenig Wasser führte und eine Schlammschicht aus Abfällen aus Haushalten und Industrie im Teichbett freigelegt waren, Verunreinigung des rechten Rheinufers auf der Höhe der Mündung des Riehenteichs)
  • Bestrebungen zur Grundwasseranreicherung des Wasserwerks (das Wasser aus dem Riehenteich sollte ohne Interessenskonflikt mit den Gewerben weiter unten am Teich zur Sicherung der Basler Trinkwasserversorgung verwendet werden können)
  • Aufkommen der elektrischen Energie (durch eine Aufhebung der Teiche «verlorengegangene» Wasserkräfte konnten durch effizientere elektrische Energie ersetzt werden)
  • Herausforderungen durch die Verlegung des Badischen Bahnhofs (der neue Bahnhof kam direkt auf dem Verlauf des Teichs zu liegen, der dort umgeleitet oder in den Boden verlegt werden musste)

In den Folgejahren wurde das Teichsystems romantisiert und dessen Aufhebung erheblich kritisiert – nicht zuletzt, weil die diese mitsamt Entschädigungszahlungen für die verlorengegangene Energie an die Gewerbe und die Kosten für eine Teichwasserleitung an die Betriebe, die auf das weiche Wasser weiterhin angewiesen waren, die veranschlagten Summen um ein Weites übertrafen. Die letzten Überreste der Einmündung in den Rhein sind am Unteren Rheinweg 14 heute noch erhalten.