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Energiegeschichten
Fernwärme in Basels Altstadt: enge Gassen, warme Stuben

In Basel-Stadt wächst das Fernwärmenetz. Auch in den ältesten Teilen der Stadt, die so Anschluss an die Wärme der Zukunft erhält. Kein ganz einfaches Unterfangen, aber ein lösbares.
Der Kachelofen in diesem alten Saal wird schon lange nicht mehr zum Heizen genutzt. Heute Abend ginge es vielleicht sogar ganz ohne Heizung, so viele Menschen sind hier versammelt. Es wird diskutiert und gestikuliert, den Blick dabei jeweils auf einen grossen Plan gerichtet, der hier gleich mehrmals an der Wand hängt. Darauf Strassen, Grundstücksgrenzen und grüne und gelbe Flächen. Die grünen stehen für Gebäude, die bereits ans Fernwärmenetz angeschlossen sind. Die gelben für solche, die noch Gasheizungen haben.

Der Plan zeigt die Grossbasler Altstadt, wo auch die Veranstaltung stattfindet. Im altehrwürdigen Zunftsaal zur Schmieden spricht IWB mit Hauseigentümerinnen und -eigentümern. Und über Wege in die zukünftige Wärmeversorgung.
Neue Wärme für uralte Häuser
Die Veranstaltung, die der Quartierverein Innerstadt gemeinsam mit IWB organisiert hat, beginnt mit einer Präsentation von Evelyn Rubli. Die Leiterin Wärme bei IWB führt im Schnelldurchlauf durch die Geschichte der Basler Energieversorgung und erklärt technische Finessen des Fernwärmeausbaus sowie erneuerbarer Alternativen wie Wärmepumpen. Ein Zieldatum nennt sie gleich zu Beginn: 2037. Bis dann soll der Kanton Basel-Stadt klimaneutral sein. Das beinhaltet die Wärmeversorgung, auch in den uralten, dicht gedrängt stehenden Gebäuden der Innerstadt.

Entsprechend lebhaft ist die Fragerunde. Ob es dann jahrelange Baustellen gebe? Worauf man denn noch warte, statt einfach loszugraben? Wie das mit den geteilten Anschlüssen unter Nachbarn sei? Es gibt viel Informationsbedarf, der vor den grossen Plänen an der Wand erkennbar wird. Leute von IWB und dem Amt für Umwelt und Energie des Kantons stehen Red und Antwort. Die Wärmewende lässt die Leute nicht kalt.
Fernwärme, wo wenig Platz für sie ist
Das wissen Peter Jakobs und Cyril Striebel nur zu gut. Sie beide sind für den Ausbau der Fernwärme in den Basler Altstadtquartieren zuständig. Deshalb wissen sie auch, dass der Ausbau der Fernwärme gerade hier ein bisschen mehr Köpfchen verlangt als anderswo.
Für Wärmelösungen in der Grossbasler Altstadt brauchen wir die Mithilfe von Kundinnen und Kunden.
Jakobs, Strategischer Planer Wärme bei IWB, erklärt: «Die Häuser in der Altstadt haben in mehr als einer Hinsicht alle ihre eigene Geschichte. Man sieht das gerade bei den Heizungen. Manche Häuser haben den Heizkessel unter dem Dach oder auf jedem Stockwerk einen eigenen. Andere Häuser sind einfach nur sehr eng gebaut, und jede neue Leitung, auch Fernwärme, nimmt etwas anderem Platz weg.» Für viele Immobilien müssten deshalb individuelle Lösungen ausgedacht werden, um sie mit Fernwärmeanschluss zu erschliessen.
Gemeinsam Lösungen finden
Eine Anschlusslösung für jedes Haus? Damit in der Innerstadt kein unkoordiniertes Wärmeflickwerk entsteht, plant IWB eine Bestandesaufnahme bei den Immobilienbesitzerinnen und -besitzern und hat deshalb am Informationsanlass im Zunftsaal zur Schmieden deren Adressen aufgenommen.

«Für die Wärmelösungen in der Grossbasler Altstadt brauchen wir die Mithilfe unserer Kundinnen und Kunden», meint Cyril Striebel. Der Fachspezialist Anschlusslösungen Wärme versucht, im Kontakt mit den Eigentümerinnen und Eigentümern herauszufinden, welche Lösung pro Immobilie die beste ist.
Am liebsten möchten wir für Fernwärme so wenig Gräben wie möglich auftun.
Manchmal könne das ein gemeinsamer Anschluss sein, den sich mehrere Immobilien teilen. Bei anderen geht es nur mit Eigenentwicklungen. «Unser Ziel ist, die Anschlusslösungen in Gruppen einzuteilen. Das macht die Erschliessung effizienter und bedeutet letztlich auch weniger Baustellen.»
So wenig Gräben für die Fernwärme wie möglich
In historischen Innenstädten Fernwärmeleitungen zu bauen, sei per se aufwendiger als in weniger dicht bebauten Neubauquartieren, erklärt Peter Jakobs. «Normalerweise legt man Fernwärmeleitungen nebeneinander, was die Anschlüsse der einzelnen Häuser und später die Wartung vereinfacht. Manche Altstadtstrassen sind für diese Bauart aber einfach zu schmal.» Überhaupt die Strassen: Oft seien sie gepflastert. «Das bedeutet immer Handarbeit. Deshalb ist der Tiefbau hier so teuer. Am liebsten möchten wir für die Fernwärme so wenig Gräben wie möglich auftun.»

Alternativen für die Energiewende gibt es
Wenn Baslerinnen und Basler weg von Öl und Gas wollen, haben sie verschiedene Wärmetechnologien zur Auswahl. Allerdings, so Cyril Striebel, sei in der Grossbasler Altstadt oft nur die Fernwärme praktikabel. «Bei Holzpelletsheizungen stellt sich das Platzproblem im Gebäude. Wo das Brenngut lagern, wie anliefern?» Bei Wärmepumpen fehle entweder aussenrum der Platz, um in Erdsondenfelder zu bohren, oder aber die Ausseneinheit könne nirgendwo platziert werden, wo sie die Nachbarschaft nicht stört. «Wichtig ist uns, frühzeitig mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, sodass sie alle Möglichkeiten vergleichen und wir mit ihnen planen können», fasst Striebel zusammen.
Die Stadt und ihre Spuren
Die Basler Altstadt hat eine lange und bewegte Geschichte. Pestepidemien, Erdbeben und Feuersbrünste haben hier schon gewütet. Hier ist die Stadt gewachsen und gediehen, wurde befestigt, hat verschiedenste Bevölkerungsschichten kommen und gehen sehen. Manche Häuser zeigen heute noch Spuren dieser wechselhaften Geschichte.
Eines davon gehört Florian Flaig und liegt in der Schneidergasse, unweit des Zunftsaals zur Schmieden. Es ist ein schmales Altstadthaus mit fünf Wohnungen, einem Café im Erdgeschoss und einem Coiffeursalon im Hinterhaus. Und einem Fernwärmeanschluss im Keller. Der sei dort schon gewesen, als er selbst eingezogen sei, meint Flaig. Das Haus gehörte zuerst seinen Grosseltern, danach seinen Eltern. Schon früher habe ihn dessen Geschichte interessiert. «Als während meines Studiums eine Wohnung frei wurde, nutzte ich die Gelegenheit», erinnert er sich.
Geschichte im Keller
Als Florian Flaig zum ersten Mal in das Haus zieht, hat es den wichtigsten Blick in die eigene Vergangenheit schon preisgegeben. 1983 wurde bei Renovationsarbeiten altes Mauerwerk im Kellergeschoss gefunden. Die anschliessenden archäologischen Grabungen brachten eine Feuerstelle im Innenhof zum Vorschein. Und das Fundament eines Wohnturms, der vor über 700 Jahren hier stand. Ein Wohnort der städtischen Oberschicht also.

Die Mauern sind heute konserviert, gleich neben dem Fernwärmeanschluss im Keller, der von einem Nachbargrundstück aus in Florian Flaigs Haus gelegt wurde. Schon in den 1970er-Jahren wurden gepflasterte Strassen lieber in Ruhe gelassen, als sie zu öffnen.
Fernwärmeanschluss zum Teilen
Dass das Strassenbild damals ein anderes war als heute, hat Florian Flaig bei einer Fassadenrenovation festgestellt. «Die Fensterläden und -simse waren stark angegriffen von den Abgasen der Autos, die hier früher noch entlangfuhren.» Heute ist die Schneidergasse verkehrsberuhigt. Überhaupt sei damals während seiner ersten Zeit hier viel mehr gebaut worden, meint der Historiker. «Quasi jedes Jahr hatten wir eine Baustelle vor dem Haus.» Etwas, das heute in Zeiten des koordinierten Bauens im Kanton Basel-Stadt nicht mehr denkbar wäre. Würde man also die Strasse für eine Fernwärmeleitung öffnen, würden alle anstehenden weiteren Leitungsarbeiten miterledigt. Falls es denn eine Strassenbaustelle braucht. Einer von Florian Flaigs Nachbarn hätte ein Haus, das für Fernwärme geeignet ist, aber auch von Flaigs Anschluss profitieren könnte. Ob sie dereinst die Fernwärme teilen? Das werden die nächsten Monate zeigen.

Ein Haus zum Leben und Lieben
Florian Flaig bestellt einen Tee im Café Mock im Erdgeschoss. Ein Café oder eine Bäckerei sei schon immer hier gewesen, nur der Name habe gewechselt. Er ist später, nachdem er das Haus geerbt hatte, noch einmal ein- und dann wieder ausgezogen. Die Nasszellen des Cafés hat er unlängst sanieren lassen, ebenso die Wohnungen oberhalb. «Jede ist anders. Mal mit Parkettboden, mal mit besonderer Küchenausstattung.» Die Fenster seien schon vor längerer Zeit erneuert worden und sind alle doppelt verglast. Auch ein altes Haus soll schliesslich energieeffizient sein. Er selbst sei und bleibe dem Haus tief verbunden. «So etwas hat man, weil man es liebt. Alles andere lohnt sich nicht», resümiert er. Und die Veränderung, die hier schon immer Gast war, wird es bleiben. Florian Flaig blickt auf die winterliche Strasse hinaus. «Ein Haus muss leben. Es hat eine Geschichte, aber muss auch mit der Zeit gehen.»
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