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Im Gespräch

Warum es uns gut geht, wenn es den Bienen gut geht

Matthias Götti Limacher Geschäftsführer von BienenSchweiz vor einem Bienenstock
Matthias Götti Limacher im Interview über die Situation von Wild- und Honigbienen in der Schweiz (Foto: Sarah Grossenbacher, BienenSchweiz)

Bienen sind mehr als nur Honiglieferantinnen. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Biodiversität, von der wir Menschen abhängen. Experte Mathias Götti Limacher über die Situation der Bienen und wie wir sie verbessern können.

Herr Götti Limacher, bei Bienen denken viele an die Lieferantinnen von Honig fürs Frühstücksbrot. Stimmt das?

Nicht ganz. Es gibt nicht nur Honigbienen, sondern auch Wildbienen. Wildbienen haben wiederum mehrere Gruppen. Die einen sind die Hummeln, die wie die Honigbienen auch Völker bilden. Die anderen sind die solitären Wildbienen, die alleine leben. Spannend ist, dass für die Bestäubung von Pflanzen die Wildbienen gleich wichtig sind wie die Honigbienen. Früher meinte man, nur Honigbienen sind für die Bestäubung wichtig. Heute weiss man es besser. Die Vielfalt der Bestäuber und Bienen ist wichtig.

Wie geht es den Bienen in der Schweiz allgemein?

Von den Beständen her geht es den Honigbienen heute gut. Dennoch gibt es Herausforderungen, zum Beispiel die Varroamilbe, einen Parasiten. Bei den Wildbienen muss man leider feststellen, dass fast die Hälfte der Populationen in der Schweiz bedroht ist. Knapp 10 Prozent der Arten sind schon ausgestorben. Das zeigt, wie schwierig es ist, die Artenvielfalt der Insektenwelt aufrecht zu erhalten. Manche Schwierigkeiten haben Honig- und Wildbienen gemeinsam. Das ist vor allem das knappe Nahrungsangebot. Im Frühling sehen wir zwar das Aufblühen der Vegetation, aber im Sommer nimmt das Blütenangebot ab. Im Landwirtschaftsgebiet sprechen wir von den sogenannten grünen Wüsten.

Was sind grüne Wüsten?

Das bedeutet, dass eine Landschaft zwar grün aussieht – was ja erst einmal schön ist –, aber es dort keine Blüten und damit kein Nahrungsangebot für Insekten gibt. Ähnliches gibt es auch im Siedlungsraum, wo Steingärten und monotoner Rasen beliebt sind. Beides ist für die Bienen nicht optimal, denn die brauchen das ganze Jahr über ein Nahrungsangebot. Bei den Wildbienen kommt noch hinzu, dass ihnen in solchen Landschaften Nistplätze fehlen. Das Gegenbeispiel wäre eine bunte Blumenwiese – sehr schön für Bienen.

Biene in Blumenwiese

Wenn die Bienenarten und -populationen zurückgehen: Merkt man das?

Es ist nicht so einfach, den Rückgang zu bemerken. Wildbienen sind sehr unscheinbar. Aber der Rückgang betrifft uns, da mit dem Rückgang der Populationen auch die Bestäubungssicherheit abnimmt. Gewisse Pflanzen wie Tomaten oder Kürbisse sind auf Hummeln angewiesen, um Früchte zu tragen. Bei den Tomaten schütteln die Hummeln die Blüten der Pflanze, sodass die Pollen herausfallen. Das schaffen aufgrund ihrer Grösse nur Hummeln. Solche Beziehungen zwischen Blumen- und Bienenart gibt es überall. Gewisse Orchideen werden nur von einer bestimmten Wildbienenart bestäubt. Verschwindet die Biene, verschwindet auch die Orchidee – und umgekehrt. Das sind nicht immer bekannte Pflanzen. Direkt betrifft uns der Rückgang der Bienenpopulationen aber bei den Nahrungsmitteln. Die Forschungsanstalt Agroscope des Bundes schätzt den Gegenwert der Insektenbestäubung in der Schweizer Landwirtschaft auf rund 350 Millionen Franken.1

Was kann man tun, um den Bienen zu helfen? Und was tut BienenSchweiz?

BienenSchweiz setzt sich bewusst für das Wohl aller Bienen ein. Zwar sind wir der Verband der Imkerinnen und Imker in der deutschsprachigen und rätoromanischen Schweiz. Wir haben aber entschieden, uns für alle Bestäuberinsekten einzusetzen. Wie schon gesagt, wissen wir heute, dass alle bestäubenden Insekten die gleichen Probleme haben. Unsere Arbeit hat verschiedene Schwerpunkte. Bei den Honigbienen setzen wir uns dafür ein, dass Imkerinnen und Imker gut ausgebildet werden – immer in Zusammenarbeit mit lokalen Vereinen. Aber wir betreiben auch Sensibilisierung für das Leben der Wildbienen. Und wir helfen, Lebensräume und Nahrungsangebote zu schaffen. Dafür haben wir das Projekt Blühflächen lanciert.

Was hat es mit dem Projekt Blühflächen auf sich?

Mit diesem Förderprogramm gehen wir die zwei grössten Probleme für Bienen an: Nahrungsangebot und Nistgelegenheiten für Wildbienen. Begonnen hat es damit, dass wir immer wieder von verschiedenen Seiten angefragt wurden, was man für Bienen machen kann. Sowohl von Unternehmen, aber auch von Seiten der Landwirtschaft. Das wollten wir zusammenbringen – Leute, die Land besitzen und bewirtschaften auf der einen Seite, Leute, die Unterstützung leisten wollen, auf der anderen. Im Anschluss haben wir gemeinsam mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Landwirtschaft HAFL analysiert, was es für mehr Blühflächen braucht. Ein wichtiger Aspekt war neben der Anschubfinanzierung auch die Beratung – wie legt man geeignete Flächen an? Ein weiteres Element war die Kommunikation. Die teilnehmenden Landwirtinnen und Landwirte können Tafeln aufstellen und informieren, dass auf ihren Flächen etwas für Bienen getan wird. Dadurch werden sie zu Botschafterinnen und Botschaftern, die wiederum andere animieren, etwas zu tun.

Läuft das Projekt gut?

Flächenanmeldungen haben wir jedenfalls genug. Wir müssen uns bemühen, finanzielle Mittel zusammenzubringen, um die Flächen umzusetzen. Dabei helfen uns Partnerunternehmen wie IWB.

Was kann ich als Einzelperson noch tun, um Bienen zu helfen?

Am besten ist es, den eigenen Garten bienenfreundlich zu gestalten, also Nahrungsangebote und Nistgelegenheiten zu bieten. Das kann auch im Kleinen auf einem Balkon passieren. Man kann auch im eigenen Umfeld die Augen und Ohren offenhalten, ob zum Beispiel nächstens in der Nachbarschaft eine Grünfläche umgestaltet wird. Natürlich kann man auch bienenfreundlich einkaufen, vor allem Lebensmittel. Das tut man allgemein, indem man Produkte kauft, die regional, saisonal und möglichst ohne Pestizideinsatz hergestellt werden. BienenSchweiz arbeitet sowohl mit IP-Suisse als auch mit BioSuisse zusammen, beide Programme fordern von ihren Betrieben zusätzliche Biodiversitätsmassnahmen. Und mit der Unterstützung unserer Blühflächenförderung kann auch jede Einzelperson uns dabei helfen, noch mehr für Bienen zu tun.

Wie gestaltet man den eigenen Garten oder Balkon bienenfreundlich?

Eine Möglichkeit ist das bekannte Bienenhotel, obwohl man darauf achten sollte, dass es wirklich ein gutes Bienenhotel ist. Hat man alles richtig gemacht, sieht man bald einmal Wildbienen ein- und ausfliegen. Die am meisten gefährdeten Arten nisten aber im Boden. Die brauchen ungewaschenen Sand, der etwas «zusammenpappt» oder einfach offene Bodenstellen. Etwa einen halben Meter tief sollte der Sand sein und falls man ihn in einem Topf auf den Balkon anbietet, zudem im Sommer nicht voll besonnt. Zu all dem sollte man ein Nahrungsangebot schaffen. Ein gutes Hotel hat schliesslich auch ein Restaurant. Viele Blumenarten sind sehr beliebt bei Bestäubern – mit Ausnahmen wie den leider bei uns Menschen beliebten Geranien. Auch Kräuter wie Rosmarin und Thymian haben die Wildbienen sehr gern. Die sollte man nicht komplett abernten, sondern teilweise stehen und blühen lassen.

Gibt es Missverständnisse zum Bienenschutz? Dinge, die nicht wirken?

Das genannte Hotel ohne Restaurant ist eines. Auch kontraproduktiv ist der Trend, der inzwischen wieder etwas verblasst ist. Im städtischen Raum wurden eine Zeit lang ohne das nötige Fachwissen Honigbienenvölker aufgestellt. Wenn man sich wirklich mit der Haltung von Honigbienen auseinandersetzt, muss man das langfristig angehen und sich damit beschäftigen. Man muss zuerst einmal prüfen, wie viele Bienenvölker es in der Umgebung bereits gibt. In vielen Städten ist die Dichte an Honigbienen bereits gross. Kommen mehr Völker dazu, konkurrenzieren diese sich gegenseitig oder – noch schlimmer – die Wildbienen. Man ist als Imkerin oder Imker Teil der Natur. Das darf man nicht vergessen.

Man hat viel über die Wechselwirkung zwischen Wildbienen und Pflanzen gelernt. Gibt es Dinge, die wir über Bienen noch nicht wissen?

Über Honigbienen, zu denen der Mensch seit langer Zeit eine intensive Beziehung pflegt, ist viel geforscht. Und trotzdem gibt es noch viele Wissenslücken. Insbesondere bei den Wildbienen, für die man sich in jüngerer Zeit zu interessieren begonnen hat, gibt es noch viel zu erkunden. Teilweise bewertet man dabei ökologische Zusammenhänge neu. Was die Forschung ebenfalls auf Trab hält, ist der Umstand, dass die Menschen heute so mobil sind. Wir tragen immer neue Organismen in den Lebensraum der Bienen. Sehr aktuell ist die Asiatische Hornisse. Und wir wissen noch immer nicht, wie viele Bestäubungsinsekten es braucht, um die Biodiversität sicherzustellen. Bei den Agrarpflanzen ist das gut erforscht, wie das Beispiel der Tomaten und der Hummeln zeigt. Aber das ist längst nicht die ganze Biodiversität.

Die Gefährdung der Wildbienen gilt aber als gesichert. Oder nicht?

Doch, dazu gibt es klare Zahlen. Die sogenannte rote Liste der bedrohten Arten wird systematisch erfasst. Wenn man in einer Gegend eine Art vor fünfzig Jahren beobachten konnte und es heute nicht mehr kann, dann ist der Fall klar. Hingegen nicht immer eindeutig ist, wie wir Wildbienen am effektivsten helfen können. Das liegt aber vor allem an uns Menschen und unserem Handeln. All die Stoffe, die wir heute in die Umwelt bringen – vor allem Pflanzenschutzmittel, aber auch die sogenannten PFAS –, werfen immer neue Fragen auf. Wir wollen als Verband aber nicht einfach Krisen heraufbeschwören, sondern Lösungen vorschlagen, von denen wir fundiert sagen können, dass sie etwas nützen. So wie die Blühflächen, von denen wir klar sagen können: Das hilft den Bienen. Abschliessend noch dies: Beim Thema Biodiversität sollte man das Vorsorgeprinzip anwenden. Wir sollten nicht nur diejenigen Arten fördern, von denen wir wissen, dass sie einen unmittelbaren Nutzen für uns Menschen haben. Denn was bringt es, wenn wir erst im Nachhinein merken, dass eine Art wichtig gewesen wäre, weil diese jetzt fehlt? Biodiversität ist ein Puzzle, alle Teile sind wichtig. dass eine Art wichtig gewesen wäre, weil diese jetzt fehlt? Biodiversität ist ein Puzzle, alle Teile sind wichtig.

Sogar Wespen?

Ja, auch Wespen. Die fressen zum Beispiel Blattläuse oder die Körper toter Kleinlebewesen. Das sind wichtige Funktionen für das Ökosystem. Uns Menschen lästig sind nur zwei Wespenarten, daneben gibt es aber noch viele andere.

Was machen die Bienen eigentlich im Winter, wenn es draussen kalt ist und Schnee liegt?

Honigbienen überleben das ganze Jahr als Volk. Sie überwintern eng aneinander in Form einer Traube und wärmen sich gegenseitig. Je kälter es ist, desto enger rücken sie zusammen. Bei den Hummeln überleben nur die Königinnen. Die verkriechen sich in einen Pflanzenstengel oder einen Holzstapel und überdauern dort den Winter. Bei den solitären Wildbienen haben sich Männlein und Weiblein im Sommer gepaart. Nur ihr Nachwuchs überlebt, meist als Larven oder Puppen den Winter, die ebenfalls in Nischen versteckt sind. Wenn jetzt der Frühling kommt und die ersten Sträucher blühen, gehen die Bienen wieder Pollen sammeln. Und beim richtigen Blütenangebot können sie das auch im Sommer.

Zur Person

Mathias Götti Limacher ist Agronom und Geschäftsführer von BienenSchweiz, dem Imkerverband der deutschen und rätoromanischen Schweiz, und vertritt in dieser Funktion die Interessen von rund 14’000 Imkerinnen und Imkern. Kernbereiche seiner Tätigkeit sind die Blühflächenförderung wie auch die Ausbildung von Imkerinnen und Imkern. Auf politischer Ebene engagiert sich Götti Limacher als Präsident von apisuisse, dem Dachverband der Schweizer Imkerinnen und Imker.

1 Quelle: https://www.agroscope.admin.ch/agroscope/de/home/aktuell/medieninformationen/medienmitteilungen.msg-id-68070.html