Die Versorgungssicherheit von Strom und Gas beschäftigt die Schweiz. Und bei IWB Thomas Schneider und Detlef Huber mit ihren Teams.
Detlef Huber und Thomas Schneider, beschreiben Sie kurz Ihre Aufgabe bei IWB und wie Sie dorthin gekommen sind.
Thomas Schneider: Ich bin Leiter Betrieb und Instandhaltung der elektrischen Anlagen und des Stromnetzes bei IWB. Ich habe noch eine Funktion als sogenannter OSTRAL-Verantwortlicher (siehe rechte Spalte) und bin bei der wirtschaftlichen Landesversorgung eingebunden, der die OSTRAL untersteht. Zu IWB bin ich als 25-jähriger Elektromonteur gekommen, habe berufsbegleitend Energietechnik studiert und 2019 schliesslich die Leitung des Betriebs der Strominfrastruktur übernommen. In 32 Jahren IWB habe ich von der Hochspannungsleitung bis zum Hausanschluss alles gesehen.
Detlef Huber: Ich bin seit 2006 bei IWB als Leiter Betrieb und Instandhaltung für die rohrgebundenen Medien. Also das Pendant zu Thomas, allerdings für Trinkwasser, Fernwärme und auch Gas. Auch ich habe mein ganzes Leben in der Branche gearbeitet, als Handwerker angefangen – also Sanitär und Bauspengler – und schliesslich das Studium zum Ingenieur für Versorgungstechnik gemacht. Ich bin der operative Ansprechpartner für die KIO bei IWB, dem Pendant zur OSTRAL im Bereich Gas.
Immer wieder ist von «Versorgungssicherheit» die Rede. Was bedeutet dies in Ihrem Kontext, und was tun Sie dafür?
Thomas Schneider: Versorgungssicherheit bedeutet beim Strom, dass zu jeder Sekunde gleich viel Strom im Netz verfügbar ist, wie verbraucht wird. Im Betrieb sorgen wir deshalb dafür, dass alle Anlagen gut funktionieren. Wir warten und unterhalten sie; unsere Netzleitstelle überwacht die Anlagen, sodass es keine Überlast gibt. Und falls doch irgendwo der Strom ausfällt, bieten wir die Pikettdienste auf, nehmen Telefonate von Kundinnen und Kunden entgegen, beheben die Störung.
Detlef Huber: In der Gasversorgung bedeutet Versorgungssicherheit, dass wir jederzeit das Produkt Erdgas zur Verfügung stellen können, das heisst, dass wir in den Leitungen ausreichend Druck haben. Dazu versuchen auch wir, Störungen im Gasnetz – Leckagen – so gering wie möglich zu halten. Auch wir warten die Netzanlagen, inspizieren, setzen instand. Im Wort Versorgungssicherheit steckt aber auch «Sicherheit»: Wenn jemand anruft und sagt, es rieche nach Gas, rückt unsere Pikettorganisation aus.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag zurzeit aus? Sicher anders als noch vor einem Jahr …
Thomas Schneider: Vor etwa einem Jahr haben mein Team und ich uns noch mehrheitlich um technische Fragen und Projekte gekümmert. Also wie man die Anlagen revidieren, umbauen oder neu bauen kann. Auch damals waren wir schon in der OSTRAL-Organisation. Aktuell ist die Situation aber viel stärker von einer Vorbereitung auf eine allfällige Strommangellage geprägt. Dazu gehört auch Kundenbetreuung, wo wir zusammen mit dem Key-Account-Management und der Energieberatung Grossverbraucher auf eine mögliche Mangellage vorbereiten. Dazu kommen interne Planungen. Die gab es schon immer – die OSTRAL existiert seit 20 Jahren –, aber sie gingen nie so ins Detail. Früher hat man gewusst, man muss gegebenenfalls abschalten, heute schaut man genau, was alles unbedingt am Netz bleiben muss, damit eine Stadt wie Basel weiter funktioniert.
Detlef Huber: In unserem Daily Business arbeiten vier Instandhaltungsbereiche, ein Entstördienst. Dazu externe Partner, da unser Gasversorgungsgebiet sehr gross ist. Jetzt ist die mögliche Gasmangellage dazugekommen, und die hat die Branche kalt erwischt, das darf man ruhig sagen. Die Stromseite hat sich schon während Jahren auf eine Mangellage vorbereitet. Beim Gas wurde erst in diesem Jahr die KIO gegründet. Die befindet sich im Aufbau, entsprechend sind wir gefordert. Ich kann trotzdem sagen: Als IWB sind wir bezogen auf das, was heute machbar ist, bestens vorbereitet.
Wie sieht beim Strom aktuell, im November 2022, die Versorgungssituation aus? Welche Handlungsmöglichkeiten hat die Schweizer Energieversorgung?
Thomas Schneider: Aktuell sind wir im sogenannten Bereitschaftsgrad 1 von 4, das ist die normale Lage. Elcom und Swissgrid überwachen diese und erachten sie als sicher. In der Schweiz betrachtet man vor allem den Füllstand der Stauseen, denn der ist vom Kraftwerkspark in ganz Europa abhängig: Wann gehen die französischen Kernkraftwerke wieder ans Netz? Wie voll sind die deutschen Gasspeicher, die auch für die Stromproduktion gebraucht werden? Anfang September waren die Stauseen noch weniger als normal gefüllt, inzwischen hat sich das entspannt. Neben der Stromproduktion kann man aber auch den Verbrauch ins Visier nehmen. Nichts muss angeschaltet sein, wenn man es nicht nutzt. Man kann auch ineffiziente Geräte ersetzen, vor allem wenn diese pro Tag viele Stunden laufen. Es gibt einen ganzen Strauss von Möglichkeiten. Das sollte man alles machen, weil das verhindert, dass wir aus den Stauseen Wasser entnehmen und turbinieren müssen. Strom zu sparen, macht immer Sinn.
Planungen für eine mögliche Mangellage gab es schon immer, aber sie gingen nie so ins Detail wie aktuell.
Sie haben die Bereitschaftsgrade erwähnt. Was sind diese?
Thomas Schneider: Diese definiert die OSTRAL. Nummer eins ist, wie gesagt, die normale Lage. Dann gibt es in Bereitschaftsgrad zwei weitergehende Sparappelle. Bereitschaftsgrad drei ist ein politischer Prozess. Dort wird beim Bundesrat der Bereitschaftsgrad vier beantragt, mit dem die sogenannte Bewirtschaftsverordnung in Kraft gesetzt wird. Damit hat der Bund die juristischen Mittel, Kontingentierungen, Verbote oder zur Not zyklische Abschaltungen durchzusetzen. Zudem gingen der Handel und die Produktion in die Steuerung des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung über.
Wie sehen die Versorgungssituation und die Handlungsoptionen beim Gas aus?
Detlef Huber: Auch beim Gas haben wir momentan keine Mangellage. Es gibt wie beim Strom eine Einstufung mit Bereitschaftsgraden eins bis vier. Industrieunternehmen können aktuell freiwillig von Gas auf Öl umstellen, wenn sie eine sogenannte Zweistoffanlage haben. Wenn es zu einer Verschärfung kommt, also die Menge des im Import benötigten Gases um 20 Prozent unterschritten wird, dann ginge es aus heutiger Sicht Richtung Bereitschaftsgrad 4. Dann wird es in einem ersten Schritt Sparappelle für Gas geben. Reicht dies nicht aus, werden Zweistoffanlagen definitiv umgeschaltet, und sollte auch das nicht reichen, wird es Einschränkungen für gewisse Anwendungen geben. Danach gibt es Kontingentierungen für Grossverbraucher, die nicht als geschützt gelten.
Kann der Bund beim Gas auch Abschaltungen vornehmen oder die Produktion steuern?
Detlef Huber: Derzeit hat der Bund keine Abschaltungen vorgesehen. Wir bereiten uns seitens IWB auch auf Abschaltszenarien vor. Sie würden nur dann zur Anwendung kommen, wenn es aus sicherheitstechnischen Gründen notwendig wäre. Wenn also der Druck im Netz zu stark abfällt oder wir aus Sicherheitsgründen abschalten müssen. Wie gesagt: Das ist zurzeit nicht vorgesehen. Eine Produktionssteuerung wie beim Strom gibt es nicht. Wir haben schlicht keine Gasproduktion in der Schweiz. Es gibt zwar Biogasanlagen, die haben aber keinen Einfluss auf die Versorgungssicherheit, denn deren Produktionsmenge ist im Gesamtvergleich vernachlässigbar.
Als IWB sind wir bezogen auf das, was heute machbar ist, bestens vorbereitet.
Sie machen diese Arbeit nicht alleine, sondern im Team. Wie sind Sie organisiert?
Thomas Schneider: In meinem Bereich arbeiten rund 55 Mitarbeitende in sechs verschiedenen Abteilungen. Dazu gehört die Netzleitstelle, die das ganze Stromnetz überwacht. Dann habe ich Instandhaltungsteams, die alle Unterwerke, Trafostationen und Gleichrichterstationen fürs Tram instandhalten. Dann ein Team für Betrieb, das ist zuständig für Umbau- und Neubauarbeiten und schaltet das Netz von 400 bis 150 000 Volt. Dann haben wir ein Contracting Team sowie das Team E-Mobilität, das für alle Ladesäulen im öffentlichen Raum zuständig ist sowie zusätzlich für temporäre Stromanschlüsse an Messen und Märkten. Weiter gibt es das Team Bauanschlüsse. Überall, wo eine Baustelle ist, stellen sie eine Übergabestelle. Schliesslich gibt es noch eine Abteilung mit unseren Betriebsingenieurinnen und -ingenieuren, die sich um spezielle Netzthemen kümmern. Übergreifend haben wir eine Koordinationsstelle, die Aufträge herausgibt.
Detlef Huber: Meine Abteilung ist ähnlich gross: 62 Leute und sieben Teams. Die Kolleginnen und Kollegen sind bestens ausgebildet und viele verfügen über eine sehr lange Berufserfahrung. Sie arbeiten in vier Instandhaltungsbereichen getrennt nach Sparte: zwei Fernwärme, eines Trinkwasser, eines Gas. Auch bei uns gibt es eine Koordination. Und dazu haben wir noch den Entstördienst: wenn zum Beispiel ein Anruf kommt, es gebe Wasser auf der Strasse, dann kommen wir und stellen ab. Dann eben noch den Netzbetrieb mit Betriebsingenieurinnen und -ingenieuren. Wenn es eine Anfrage seitens der KIO gibt und ich nicht da bin, sind die zuständig. Das ist keine One-Man-Show von mir (lacht).
Auf der anderen Seite stehen Kundinnen und Kunden. Wie ist der Austausch insbesondere mit Unternehmen?
Thomas Schneider: Ich glaube, das Verständnis ist da. Viele melden sich aktiv bei ihrer Kundenberaterin oder bei ihrem Kundenberater. Dann beraten wir sie, entweder direkt vor Ort oder in einem Online-Call. Einsparpotenzial gibt es fast überall. Natürlich kommt es auf die Branche an: Handelt es sich um eine Bäckerei, die Strom für die Produktion braucht, oder um eine Verwaltung, die den Verbrauch anderswo kompensieren kann. Wie gesagt: Das Verständnis ist da, und die Beratung wird auch dankend angenommen.
Detlef Huber: Natürlich beziehen viele Kundinnen und Kunden bei IWB Strom und Gas gleichzeitig, gerade Unternehmen. Da sind Thomas und ich als «Gspänli» unterwegs. Die Fragen gehen oft von einer Sparte in die andere, Strom und Gas beeinflussen sich gerade in der Produktion. Der Vertrieb hat deshalb gemeinsam mit Branchenverbänden in Basel-Stadt Webinare entwickelt, wo wir den Verbandsmitgliedern Red und Antwort stehen.
Kommen wir zu den Privatkundinnen und -kunden? Wie stark ist deren Einfluss auf die Entwicklung der Situation?
Thomas Schneider: Gemäss Bund liegt das Sparpotenzial eines Sparappells bei Privaten bei 5 Prozent. Das klingt nach wenig, aber jede Kilowattstunde, die wir nicht brauchen, können wir in den Stauseen lassen. Wir können jetzt für den Winter sparen. Das Potenzial kann man mit gezielten Abschaltungen einzelner Anwendungen weiter erhöhen: Rolltreppen, Sauna und so weiter; das bringt noch einmal 10 Prozent. Wir müssen das Thema Stromsparen in den Fokus rücken. Wenn wir das schaffen und das Sparpotenzial ausschöpfen, kommt es nicht zu Kontingentierungen oder gar Abschaltungen.
Detlef Huber: Ich berufe mich auf die Aussagen des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung. Es geht auch beim Gas von 5 bis 10 Prozent Sparpotenzial bei Privathaushalten aus. Dann haben wir noch die Unternehmen mit Zweistoffanlagen. Sie haben zum Teil von sich aus auf Öl umgestellt. Da reden wir noch einmal von rund 20 Prozent auf die Schweiz bezogen.Damit erreichen wir eine deutliche Reduktion des Gasverbrauchs. Aber das bedeutet eben auch: Sparen. Da ist jede und jeder aufgefordert.
Zur OSTRAL und KIO gehören Vertreterinnen und Vertreter der gesamten Schweizer Energiebranche. Wie eng ist die Zusammenarbeit, und wie war das vor der aktuellen Situation?
Thomas Schneider: Wir sind seit Jahren in regem Austausch. Es gibt diverse Fachtagungen, sowie Gremien, in denen sich Stadtwerke treffen. Zwischen den Verteilnetzbetreiberinnen und -betreibern gibt es also einen lebhaften Austausch.
Detlef Huber: Dem kann ich mich anschliessen. Wir haben den Verband des Schweizer Gas- und Wasserfachs, dort arbeite ich in diversen Gremien. Jetzt, vor dem Hintergrund der möglichen Gasmangellage, haben wir Workshops gemacht mit den Kolleginnen und Kollegen aus Zürich und mit den Leuten in Bern. Wir haben gefragt, wie macht ihr das, und erzählt, was wir planen. Das Ganze vor dem Hintergrund, dass eine Mangellage beim Gas lange kein Thema war. Was ich aber anmerken will: Es muss einem bewusst sein, Unterbrüche – auch längere – kann es immer geben, auch ohne Mangellage.
Jede Krise hat ein Ende. Wird Ihre Arbeit in Zukunft wieder dieselbe sein wie zuvor?
Thomas Schneider: Ich denke, dieses Jahr wird Spuren hinterlassen. Wenn wir im Frühling 2023 angekommen sind, werden wir in der Branche das Vergangene genau analysieren. Wir werden schauen, was wir richtig gemacht haben und was wir besser machen können, ähnlich wie bei der Corona-Pandemie. Können wir eine Krise wie diese effizienter bewältigen, welche Erfahrungen aus dem Winter lassen wir einfliessen? Das sollte ein andauernder Prozess sein.
Detlef Huber: Genau, das nennt sich KVP: kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Die Gasbranche wird die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten weiter hinterfragen müssen, das wird zwangsläufig Anpassungen geben. Schon vor der Krise hat man beispielsweise Chancen im Wasserstoff gesehen, den man dem Erdgas beimischen kann. Man wird weitere Wege suchen, um die Abhängigkeit von fossilem Gas in Westeuropa zu reduzieren. In Basel ist man da schon sehr weit mit der Wärmetransformation. Das müssen wir konsequent weiterverfolgen, aber ich denke, dass die Veränderungen in der gesamten Branche nachhaltig sein werden. Es kann auch sein – aber das ist nur ein Bauchgefühl von mir –, dass Kundinnen und Kunden, die heute am Gasnetz sind und einen Fernwärmeanschluss haben könnten, das vorziehen.
Thomas Schneider: Im Strombereich merkt man das ganz stark. Alle wollen zurzeit Photovoltaikanlagen an die Fassaden und auf die Dächer installieren, und wir merken auch einen Zuwachs in der Nachfrage nach Wärmepumpen. Ich denke, das Umdenken ist nachhaltig.
In der aktuellen Diskussion um Energie gehen zuweilen die Emotionen hoch. Haben diese Platz in Ihrer Arbeit?
Detlef Huber: Wir sind vom Naturell her Techniker und denken auch so. Wir sehen ein Problem und analysieren es in unseren Teams. Dabei gehen wir sehr strukturiert vor. Die Teamarbeit ist wichtig, wir haben auch eigene interne Arbeitsgruppen zur Strommangellage und Gasmangellage. Das funktioniert bei IWB sehr gut.
Thomas Schneider: Detlef hat es gesagt. Wir dürfen uns nicht von Emotionen leiten lassen. Wenn wir ein Problem sehen, analysieren wir es und haben danach mindestens zwei Lösungen parat. Wir entscheiden sehr rational.
Dennoch: Woher kommt diese Zuversicht, die Sie während des ganzen Gesprächs ausgestrahlt haben? Kann man lernen, mit Krisen umzugehen?
Thomas Schneider: Wir haben in der Vergangenheit schon im Ereignisstab von IWB zusammengearbeitet und sind ausserdem im kantonalen Krisenstab von Basel-Stadt. Wir sind sozusagen der jeweilige «Mister Krise» (lacht).
Detlef Huber: Es stimmt schon, Thomas und ich haben ähnliche Funktionen. Er, wenn es um Kabel geht, ich bei den Rohren. Und unsere jahrelange Tätigkeit im Ereignisstab und Krisenstab hilft sicher. Aber auch unser Netzwerk in der Branche wie auch meine Mitarbeit bei Regelwerken und in der Ausbildung von Fachkräften. All diese Dinge helfen bei der Prävention oder der allfälligen Bewältigung dieser möglichen Mangellage.
OSTRAL und KIO
Die Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen – kurz: OSTRAL – handelt auf Anweisung der wirtschaftlichen Landesversorgung des Bundes. Sie wird aktiv, wenn eine Strommangellage droht, also mehrere grosse Stromerzeuger langfristig ausfallen und der Stromverbrauch nicht gedeckt werden kann. Die OSTRAL ist in der Schweizer Energiebranche breit abgestützt. Die gleiche Funktion, allerdings für die Gasversorgung, erfüllt die Kriseninterventionsorganisation für die Gasversorgung in ausserordentlichen Lagen, kurz: KIO. Sie ist wie die OSTRAL im Auftrag des Bundes gegründet worden und berichtet an die wirtschaftliche Landesversorgung.
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